Kretas Sandstrände sind nicht nur schön und exzellent badetauglich – sie haben hier und da auch ihre besondere, interessante Geschichte. Nehmen wir doch einmal den Strand von Stavros im Nordwesten der Halbinsel Akrotiri, ziemlich weit im nordwestlichen Teil der weitläufigen Insel Kreta. An diesem Strand nämlich wurde der Hollywood-Klassiker „Alexis Sorbas“ gedreht (und nicht am Strand von Ierápetra, wie oft behauptet wird – das liegt in der entgegengesetzten Inselregion). Heute ist Stavros einfach nur ein schöner Ferienort – er war aber vor Jahrzehnten schon dermaßen schön, dass ein deutschstämmiger Brite, der hier mal kurze Zeit einen Job gehabt hatte, gar nicht mehr wegwollte und sich hier niederließ. Walter Lassally – so heißt der Mann – war nämlich der Kameramann in dem erwähnten Film; für seine Leistung erhielt einen „Oscar“. In Stavros, am Strand und am Berghang dieses Ortes, wurde Film- und gewissermaßen auch Musikgeschichte geschrieben.
Und so geht die Geschichte weiter: Nicht nur Kreta, ganz Griechenland wird heute weltweit mit dem Sirtaki-Tanz assoziiert. Der Sirtaki dürfte wohl der einzige Tanz sein, bei dem die Tänzer – beides Männer – einander die Hände auf die Schultern legen und dabei meist in die gleiche Richtung blicken, statt sich anzusehen. Und es gibt wohl kaum ein griechisches Restaurant in Deutschland, in Europa oder andernorts in der Welt, wo nicht immer wieder mal die bekannteste aller Sirtaki-Tanzmusiken erklingt: Die herrlich ruhevolle und zugleich temperamentvolle Musik von Mikis Theodorakis zum Film „Alexis Sorbas“.
Das Besondere: An der Küste von Stavros wurde nicht nur der besagte Film gedreht, sondern auch der Sirtaki wurde hier – oder für diesen Strand, für diesen Film – erfunden. Zwar hält alle Welt den Sirtaki für einen traditionellen griechischen Tanz, aber das ist er nicht, jedenfalls nicht so ganz. In dem Buch von Nikos Kazantzakis, das hier verfilmt wurde, steht am Schluss nun einmal eine Tanzszene unter Männern, die eine fehlgeschlagene Unternehmung, fehlgeschlagene Hoffnungen, verlorenes Vermögen im Tanz überwinden. Und weil der Hauptdarsteller des Films, der mexikanische Hollywood-Star Antonio Rodolfo Quinn Oaxaca, genannt Anthony Quinn, den eigentlich vorgesehenen „echt griechischen“ Tanz nicht hinkriegen mochte, wurde extra für ihn halt etwas Einfacheres kreiert – und der Sirtaki war geboren: Sehen Sie selbst. Den „Sirtos“ – eine Art Ringelrein – gab es in Griechenland zwar schon immer, auch auf Kreta; aber der Sirtaki (Verkleinerungsform von Sirtos) mit seiner einfachen Schrittfolge ist ein Hollywood-Kunstprodukt. Hätten Sie das gedacht?? Auf Kreta heißt der regionale Sirtos übrigens Chaniótikos; so benannt nach der Stadt Chania. Genau aus dieser Stadt an der Nordküste Kretas stammte übrigens der Vater des Komponisten Theodorakis.
Wer heute nach Stavros kommt, entdeckt vielleicht nicht gleich das Wohnhaus des britischen Kameramanns am Strand. Aber in der Taverne „Christiana“ wird man immer noch die originale „Oscar“-Statue von 1965 für „Alexis Sorbas“ (für die „beste Kamera“, Walter Lassally) finden, und Fotografien der Dreharbeiten. Falls Sie einen Tipp wünschen, um sich mental auf einen Griechenland-Urlaub vorzubereiten: Nunja, nichts gegen Reiseführer und Landkarten. Aber aus dem Roman „Alexis Sorbas“ von Nikos Kazantzakis kann man mehr über Land und Leute lernen als auf manche andere Art und Weise. Nur selber hinreisen ist noch besser.