Deutschland ist groß, Deutschland ist bunt. Manche Ortsnamen kommen in deutschen Landen doppelt, dreifach oder noch öfter vor, und jedesmal steckt dahinter eine ganz andere Geschichte. Manche Orte heißen aber auch zum Verwechseln ähnlich.
Heute greifen wir einmal zwei Orte heraus, die beide Rhein(s)berg heißen, der erste ohne mittiges s, der zweite mit. Der erste liegt im Rheinland, genauer am Niederrhein, einen Katzensprung vom Rhein und auch nicht weit von der deutsch-niederländischen Grenze entfernt. Auf dieses Rheinberg ist schon jeder mal irgendwie gestoßen, wenn er oder sie zu einem Verdauungsschnaps gegriffen hat, auf dem das Wörtchen „Underberg“ steht.
„Underberg“ und „Boonekamp“ sind zwei Bezeichnungen für Kräuterbitter, die wohl vielen Mitteleuropäern geläufig sind. Nicht jeder wird aber wissen, dass auch der „Underberg“ ein Boonekamp ist. Dass er also zu der Sorte Kräuterschnaps gehört, die ein südholländischer Apotheker namens Boonekamp seit 1780 auf Basis eines Genever-Schnapses herstellte, den er mit Kräutergeschmack anreicherte.
Der „Boonekamp“ fand damals schnell Freunde, viele Brennereien stellten ihn unter demselben Namen her, einen Patent- oder Markenschutz gab es nicht. Einen besonders schmackhaften Boonekamp braute seit etwa 1846 die Familie Underberg aus Rheinberg am Niederrhein. Um ihren Kräuterschnaps von allen anderen anderen „Boonekamps“ abzuheben, verkaufte sie ihren „Boonekamp“ ab 1896 unter dem Familiennamen „Underberg“, mit dem Zusatz: Semper Idem, „Immer derselbe“. Mag andernorts der Fortschritt gepriesen werden, Underberg wirbt mit dem Beharren auf dem Vorhandenen. Wohl dem, der in solch einer Branche tätig ist! Die winzigen Underberg-Fläschen, in denen der Schnaps – auf den Liter hochgerechnet – ein Vermögen kostet, wurden übrigens erst 1949 eingeführt, weil schon damals selbst die großen Flaschen unerschwinglich wurden. Gut, dass uns die Stadtwerke das Kranwasser nicht in Fläschchen verkaufen! Falls Sie stärkeren Underberg-Durst haben, sollten Sie vielleicht nach Brasilien umziehen. Dort bekommt man Underberg – unter dem Namen Brasilberg – auch heute noch in Flaschen von knapp 1 Liter Inhalt. Im Zentrum von Rheinberg am Niederrhein werden Sie so manche Reminiszenz an die Firma Underberg finden, und schließlich hat die dort auch nach wie vor ihren Sitz. Erkunden Sie doch mal ein wenig die Gegend! Und schön ist es am Niederrhein ohnehin.
Rheinsberg (mit s) nordwestlich von Berlin (auf gut halbem Wege zur Müritz) hat dagegen nichts mit Schnaps zu tun; Ihren Underberg müßten Sie sich da schon mitbringen (oder im Restaurant ordern). Rheinsberg, das schnuckelige Städtchen mit Schloss und Schlosspark aus dem 16. Jahrhundert am Südkopf des Grienericksees, sieht liebenswert aus und hat eine beachtliche Geschichte. Der spätere Preußenherrscher Friedrich II. (Friedrich der Große, „der Alte Fritz“) verbrachte hier angenehme Jahre vor Beginn seiner Herrschaftszeit, viel später wählte Kurt Tucholsky Rheinsberg als Tatort seiner Liebesgeschichte „Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte“, das von einem Wochenend-Ausflug
handelt (geschrieben 1912).
Über die Zeit hinweg blieb Rheinsberg ein Ausflugsziel für Berliner (und andere) Ausflügler und Erholungsuchende. Und so ließ auch der Dichter Carl Zuckmayer das Haupt-Liebespaar seines Dramas „Des Teufels General“, adäquat verfilmt von Helmut Käutner, einen Ausflug von Berlin nach Rheinsberg planen. Dort gemeinsam zu übernachten, schlug allerdings nicht General Harras (gespielt von Curd Jürgens), sondern seine junge Freundin, die Schauspielerin Dorothea Geiss vor (gespielt von Marianne Koch). Die Gestapo machte jedoch den beiden einen Strich durch diese Rechnung. Nunja, wer zu spät kommt … den bestrafte halt auch damals schon das Leben. Harras stürzte sich mit seinem Flugzeug in den Tod, „Diddo“ ging zu einem Engagement nach Wien. Daran mag man denken, wenn man mit Blick auf Schloss und Schlosspark seinen Kaffee trinkt. In Rheinsberg, nicht in Rheinberg.