Venedig: Wohnen im Zentrum der Welt

Hotelfenster in Venedig - Foto: Franz Josef Teupe

Hotelfenster in Venedig – Foto: Franz Josef Teupe

Venedig ist Ziel und Zentrum nostalgischer Reisesehnsucht. Und wirklich verkörpert diese Insel, diese Stadt mehr Nostalgie und Morbidität als jedes andere bekannte Reiseziel. Im James-Bond-Film „Casino Royale“ fällt ein altersschwacher venezianischer Palast millimetergenau in sich zusammen, was im wirklichen Venedig nie passiert. Kaum zu glauben, wo doch unendlich schwere Architekturmassen wie etwa der Markusdom ausschließlich auf schmalen Holzstelzen ruhen, die im Mittelalter in den Morast der Lagune gerammt wurden. Und am schönsten und nostalgischsten ist Venedig in seinem und um sein Zentrum herum. Auch am italienischsten in der Lebensart, den vielen Touristen immer noch zum Trotz. Und in der Mitte der Stadt können Sie dies am besten beobachten, den Einheimischen am besten ins Wohnzimmer oder in den Kochtopf schauen: Indem Sie einfach aus Ihrem Hotelfenster mal die Blicke schweifen lassen.

Am Markusplatz - Foto: Franz Josef Teupe

Übernachten auf den Marmorbänken des Markusplatzes – das billigste Hotel im Herzen Venedigs, aber nicht jedermanns Sache. – Foto: Franz Josef Teupe

Unser Tipp zum Thema Wohnen in Venedig lautet: Buchen Sie ein Hotel im Zentrum. Das kostet zwar einerseits mehr (an Geld), spart aber andererseits auch sehr viel (an Zeit). Letzten Endes erleben Sie in in vier Tagen von einem Zentrums-Hotel aus deutlich mehr Venedig, als in drei Tagen von einem Hotel an der Peripherie aus. Sparen Sie nicht am falschen Platz. Die meisten Sehenswürdigkeiten der „Serenissima“ liegen nun mal um die Stadtmitte, also in großem Bogen um den Markusplatz herum. Venedig ist so einmalig, dass es in Las Vegas (teilweise) nachgebaut wurde, für all die bedauernswerten Menschen, die es niemals persönlich und wirklich besuchen können (sogar Gondelfahrten mit singenden Gondolieri sind dort möglich). Wir Mitteleuropäer sind zum Glück nahe genug dran, um dieses Wunder an Stadt einmal mit eigenen Augen sehen zu können.

In Venedig wohnen heißt, im Mittelalter wohnen – mit dem schönen Unterschied, dass es heute selbst in dieser alten Stadt in der Lagune Strom, Heizung und Internet gibt. Und natürlich wunderbare Restaurants, vorzügliche Hotels mit jedem Komfort. Die Lage vieler Hotels ist einzigartig – man kann (oder könnte) man aus so manchem Hotelfenster direkt ins Wasser springen. Oder sich in der Wasserspiegelung rasieren, zum Beispiel, oder aus dem Fenster direkt in die Gondel steigen – jedenfalls dann, wenn man im Erdgeschoss, nunja, im Wassergeschoss wohnt. Hotels mitten in Venedig sind ein Wohn-Abenteuer besonderer Art.

Am Brunnen in Venedig - Foto: Franz Josef Teupe

In Venedig kann man sich leicht verirren – unser Tipp dazu: Tun Sie´s! So lernen Sie diese verwunschene Welt im Wasser am besten kennen. Und manchmal stoßen Sie auf einen ganz persönlichen Weg durch Venedig, wie an diesem Brunnen. – Foto: Franz Josef Teupe

Und wo kommen nun eigentlich die zahllosen Holzpfeiler her, auf denen Venedig steht? Venedig wurde als Festung konzipiert, aber als eine Festung im Wasser, um ohne Burgmauern auszukommen. Und Geld genug für seine Bauten hatte Venedig durchaus, denn lange Zeit war es reich, ja superreich durch Handel. Venedig war über viele Jahrhunderte Herrscherin des Mittelmeers. Auch Kreta (zum Beispiel) war venezianisch, jeder Urlauber findet dort bis heute reichlich Spuren jener Herrschaft. Rund ums Mittelmeer pflanzte Venedig an neu eroberten Küsten seine Löwenflagge auf.

Nach dieser Flaggen-Zeremonie („der Löwe wird gesetzt“, italienisch „pianta il leone“), wurden übrigens bald die Venezianer selbst benannt, verschliffen zu „Pantalon“. Es war eine Spott-Bezeichnung für die überregional verhassten Venezianer in der Commedia dell´ Arte – der eitle „Pantalon“ in seiner lächerlichen langen Hose war eine Witzfigur auf allen Bühnen des Landes. Bald übertrug sich die Bezeichnung Pantalon auf dieses typische Kleidungsstück der Venezianer – denn die langen Hosen waren außerhalb Venedigs verpönt, sie wurden sonst nur von Galeerensklaven getragen. Noch heute ist pantalone bzw. pantalon in Italien bzw. Frankreich die Vokabel für (lange) Hose. Der englische Sprachraum schaffte später die Steigerung zu den „Hot Pants“, wobei die Hosen bekanntlich sehr kurz wurden. Diese Hosenvariante kannten die alten Venezianer zwar nicht, aber mindestens einer von ihnen, ein gewisser Jakob Neuhaus (italienisch Giacomo Casanova) hätte gewiss seine Freude daran gehabt.

Nur wenige Schritte vom Markusplatz - im Bacino Orseolo - liegen diese Gondeln. Dass Gondolieri singen können, darf man manchmal bezweifeln, aber Gondeln können es, sogar im Chor: Bass, Tenor, Alt und Sopran. - Foto: Franz Josef Teupe

Nur wenige Schritte vom Markusplatz – im Bacino Orseolo – liegen frühmorgens diese Gondeln. Dass Gondolieri singen können, darf man manchmal bezweifeln, aber Gondeln können es, sogar im Chor: Bass, Tenor, Alt und Sopran. – Foto: Franz Josef Teupe

Man lernt in Venedig Vieles: Zum Beispiel dass es keinen Canale Grande gibt, sondern nur einen Canal Grande. Und dass wir alle Tag für Tag eine Erinnerung an den venezianischen Löwen mit uns herumtragen: unsere Hose.